Bei den großen Schokoladenproduzenten stehen die Verlierer in der Produktionskette ganz vorn. Es sind die Bauern, die den Rohstoff Kakao produzieren. Die ecuadorianische Genossenschaft Kallari allerdings kennt keine derartigen Verlierer. Die dort organisierten Indios bauen den Kakao – zum Teil hochwertige Sorten wie Nacional, Criollo, Trinitario, Venezolano und Blonde Cacao – selbst an. Die Bohnen werden in der eigenen, hochmodernen Schokoladenfabrik verarbeitet und auch die Vermarktung geschieht in Eigenregie. Das sichert immerhin den ca. 850 organisierten Familien ein sicheres Auskommen und die Schokolade ist wirklich gut.

In der Genossenschaft Kallari sind Indios vom Volk der Quichwa organisiert. Viele Indiogruppen in Südamerika werden zu diesem Volk zusammengefasst, aber sie haben keine übergreifende Kultur. Sie können sich manchmal noch nicht einmal verständigen. Früher verkauften die Quichwa aus der Region Napa ihren Kakao an Zwischenhändler, die die Säcke zum Hafen von Guayaquil und dann nach Übersee transportierten. Dort verschwanden die Bohnen in irgendeiner herkunftslosen Massenschokolade. 20 Cent für ein Pfund Kakao: zu wenig Geld und zu wenig Respekt für die Früchte harter Arbeit. Die Quichwa leben in enger Verbindung zu ihrem Land. Sie lieben ihren Kakao. Irgendwie müsste es doch andere Möglichkeiten einer fairen Bezahlung geben. Die folgende Entwicklung ist ein Beispiel für die kontinuierliche Produktentwicklung hin zur Perfektion.

Wie es gehen könnte, zeigte ihnen eine junge Frau: Die Entwicklungshelferin Judy Logback hatte keine vorgefertigte Strategie als sie 1997 bei den Indios auftauchte. Sie fragte die Bewohner nach ihren Problemen und Zielen und suchte eine pragmatische Lösung. Derart ermutigt überwanden die Bauern zunächst das Preisdiktat der Zwischenhändler. Sie transportierten die Bohnen selbst in die Hafenstadt von Guayaquil. Eine halsbrecherische Reise über eine der gefährlichsten Passstraßen der Welt. Die Produzenten überwanden den massiven Widerstand der Zwischenhändler und erlösten viel mehr Gewinn.

Ermutigt von diesem ersten Erfolg machten sie den nächsten Schritt und nahmen direkten Kontakt zu den Abnehmern ihrer Kakaobohnen in den Industrieländern auf. Robert Steinberg, einer der damaligen Besitzern der amerikanischen Schokoladenmarke Scharffen Berger, wurde auf Kallari aufmerksam. Ihn beeindruckte die Story obwohl die Schokolade alles andere als perfekt war. Auf seine Anregung hin verbesserten die Indios die Fermentation der Bohnen. Sie lernten wie man Gärkisten verwendet und die entstehenden Temperaturen beherrscht. So schmeckte der Kakao weniger herb. Fruchtig-blumige Aromen traten heraus. Im Oktober 2004 machte Robert Steinberg aus den Kallaribohnen Schokolade und präsentierte sie auf der Slowfood Messe in Turin. Für die bessere Qualität der Bohnen konnten die Indios nun höhere Preise verlangen: Das schweizerische Unternehmen Felchlin zahlte ihnen 94 Cent pro Pfund.

Die Erfolgsgeschichte wurde aber von den Indios weiter voran getrieben. Carlos Pozo, der heutige Marketing Direktor der Kooperative und die Aufbauhelferin Judy Logback machten den Familien einen revolutionären Vorschlag – sie überzeugten sie, ihre eigene Schokolade zu produzieren. Mit einer genauen Anleitung von Robert Steinberg und einigen Säcken Kakao reisten sie 12 Stunden im Bus durch die Anden zu einer primitiven Schokoladenfabrik in Salinas de Guaranda. Dort gossen sie die ersten Kallari Tafeln. Nun endlich waren sie Bean-to-Bar Produzenten. In den nächsten Monaten und Jahren konnten die Indios ihre Schokolade an den wichtigen Stellschrauben optimieren. Sie verbesserten gezielt die Anbaumethoden, die Fermentation und die Produktion. Solange bis die Schokolade perfekt war.

Nur die heruntergekommene Produktionsanlage für Schokoladentafeln wiedersetzte sich allem Streben nach Vollkommenheit. Bis im Jahr 2007 Stephen McDonnell – ein amerikanischer Unternehmer für Bioprodukte – die Kooperative besuchte und von der Zielstrebigkeit und Energie der Indios absolut begeistert war. Er investierte 250.000 US-Dollar und baute eine moderne, effiziente Fabrik direkt in der ecuadorianischen Hauptstadt Quito. Ein Glücksfall! Der Marke Kallari gelang auf einem höheren Level ein Neustart. Seitdem gibt es zwei Linien. Das Kallari Label bezeichnet die feinere Schokoladenlinie. Die Tafeln werden in der modernen Fabrik in Quito gegossen. Sie werden mit 70%, 75% oder 85% Kakaogehalt angeboten. Die Verpackung zieren verschiedenfarbige Blätter. Kallari-Schokolade besteht – und das ist außergewöhnlich – zu 100% aus Nacional Bohnen. Unter dem Sacha Label werden derzeit fünf Schokoladen vertrieben. Sie werden in der alten Fabrik in den Anden produziert und ihre Textur und das Aroma sind etwas „rustikaler“. Die „Roberto’s Recipe“ wird nach dem alten Rezept von Robert Steinberg weiterproduziert.

Mittlerweile gehören mehr als 850 Familien zu der Genossenschaft. Sie alle werden mitgerissen vom enormen Ehrgeiz und Wissensdurst der Organisation. Mit den – trotzdem noch eher bescheidenen – Gewinnen finanzieren die Mitglieder von Kallari soziale Einrichtungen, Altersversorgung, Krankenversicherung und Bildung. Auch in die Qualität der Kakaopflanzungen wird investiert. Die Marke Kallari hat eine beeindruckende Entwicklung genommen und produziert obendrein eine großartige Qualität.

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