Wie schmeckte Schokolade als sie in Europa ankam? In der Zeit als die Conche noch nicht erfunden war? Keine Kakaobutter oder gar Milch hinzugesetzt wurde? So wie Schokolade aus Sizilien! Schokolade von Bonajuto in Modica.

Für die „Cioccolato modicano“ werden in der traditionellen Herstellungsweise die gerösteten Bohnen auf einer Metate gemahlen. Dann wird Zucker hinzugefügt. Die Verarbeitungstemperatur bleibt dabei unter 40°C, der Zucker löst sich nicht auf und die Schokolade erhält ihre charakteristische körnige Textur. Kaltverarbeitung heißt dieses Verfahren und ist wirklich weit entfernt vom tagelangen Conchieren der modernen Schokoladen. Die Masse wird in Blechformen gegossen und danach werden sofort die Luftblasen aus der Masse geklopft.

Der Lärm erfüllt den Produktionsraum in der  „Antica Dolceria Bonajuto“. Einige Konditoren – überraschend international – produzieren hier diese Schokolade, die in Europa einzigartig ist. Sie haben die Blechformen in größere, flache Holzkästen gestellt und schlagen diese nun auf die raumfüllende Marmorplatte der Konditorei.

Nach der Wiederentdeckung Amerikas durch spanische Conquistadoren gelangten im 16. Jahrhundert Kakaobohnen und die Werkzeuge zu ihrer Verarbeitung – Metate genannte Malsteine aus Granit – nach Europa. Modica gehörte damals zu Spanien und begann früh mit der Produktion nach aztekischem Beispiel. Für den europäischen Gaumen wurde Zucker zur Schokolade hinzugefügt. 1880 gründete der Sohn eines Süßwarenhändlers – Francesco Bonajuto – seine kleine Schokoladenfabrik. Seit dieser Zeit befindet sie sich auch in dem Ladenlokal gegenüber vom Dom San Pietro. Bis heute blieb der Betrieb in der Familie. Zweimal übernahmen Schwiegersöhne das Steuer. Heute führt Pierpaolo Ruta die „Antica Dolceria Bonajuto“.

Die Produktion hat sich im Laufe der Zeit verändert. Früher wurde die Schokolade lediglich mit Vanille, Zimt oder Peperoncino aromatisiert. Heute werden auch andere Zutaten hinzugefügt, beispielsweise Muskat, Zitrusfrüchte, Salz oder das auf Sizilien vorkommende Johannisbrot (Carauba). Die rohe, unverarbeitete Kakaomasse kommt heute aus Südamerika oder von der Elfenbeinküste. Die traditionelle Metate steht nur noch zur Dekoration im Laden.

Das einzigartige Geschmackserlebnis allerdings ist geblieben. Cioccolato modicano enthält keine zusätzliche Kakaobutter, dafür aber noch viele ursprüngliche Aromen aus der Bohne. Sie werden in der normalen Schokolade oft während des tagelangen Conchierens zerstört. So bin ich ganz bei Leonardo Sciascia, dem großen sizilianischen Schriftsteller, wenn er sagt: „Das Aroma der Schokolade aus Modica ist beispiellos. Wer sie kostet, schmeckt das Archetypische, das Absolute. Woanders produzierte Schokolade, selbst die berühmteste, ist eine Verfälschung, eine Beschädigung des Originals.“

Comments are closed.